Lutherabend im Baumhaus

12. Mai 2017



"Mit Luther in der Unterwelt"

Szenische Lesung im Cornelia-Funke-Baumhaus

Dorsten
Das Cornelia-Funke-Baumhaus mutierte am "Freitagabend" zu einem Saal in der "Unterwelt".

Diese hatte allerdings nichts mit zwielichtigen Verbrechern zu tun. Gemeint war das Jenseits - einerlei ob Himmel oder Hölle -, in dem sich Menschen aller Zeiten begegnen und endlich mal die Meinung sagen können. Entsprechend den Jahrhunderten hatte Autor Bertold Hanck "seine Unterwelt" in 21 Etagen aufgebaut, die mit einem Lift verbunden waren. Martin Luther bekam Besuch von zeitgenössischen Kritikern und Befürwortern, so dass nebenbei auch viel von seiner Lebensart anschaulich wurde. Aber es erschienen auch solche Gäste, die viel später mit den Folgen von Luthers Reformation leben mussten oder seine Ideen für ihre Zwecke benutzten.
Böser Zeigefinger
Auf einer weiteren Ebene fungierte Thomas Boos als "Schelm" mit dem bösen Zeigefinger. Er spielte unter anderem Till Eulenspiegel, einen Türken oder einen griechischen Phílosophen und kommentierte die Gespräche der anderen.
Als Orientierungshilfe waren humorvolle Videoeinspielungen gedacht, in denen Hans-Georg Karl als Sprecher vom Sachsen TV jeweils in die verschiedenen Zeitalter und Zusammenhänge einführte. Auch alle Darsteller stellten sich vor Beginn der eigentlichen Lesung mit einem projizierten Steckbrief und in typischem Kostüm vor: Initiator Bertold Hanck verkörperte höchstpersönlich Luther. Anke Klapsing-Reich spielte Luthers selbstbewusste Gattin Katharina von Bora und die Politikerin Claudia Roth.
Raymund Ridderskamp war als Erasmus von Rotterdam abgeschreckt von Luthers Radikalität, wetterte als Abraham a Sancta Clara sprachgewaltig gegen die Reformation und in der Rolle von Ernst Moritz Arndt spielte er einen glühenden Protestanten mit völkisch-nationaler Ausrichtung.
Mehrere Rollen
Auch Klaus-Dieter Krause verkörperte mehrere Figuren: den Ablasshändler Johann Tetzel, einen preußischen General und Thomas Mann, der bei der Arbeit an dem Schauspiel "Luthers Hochzeit" verstorben ist. Hans-Georg Karl war auch real zu sehen - als radikaler Bauernführer Thomas Müntzer und als romantischer Dichter Heinrich Heine. Das Schlusswort sprach Margot Käßmann in Gestalt von Regina Schwan.
Trotz häufiger Wiederholungen der Namen war das Publikum in höchstem Maße gefordert, um jederzeit zu erkennen, wer gerade aus welcher Perspektive eine Meinung äußerte.
Die zweite Schwierigkeit bei der Rezeption bestand in der oft altertümlichen und gereimten Sprache vieler Textzitate. Aber auch wenn man nicht jeden Zusammenhang verstanden hat, war diese Form der Auseinandersetzung mit Martin Luther ausgesprochen einfallsreich, unterhaltsam und informativ.

Lutherabend

Text und Foto: Sabine Bornemann
Dorstener Zeitung vom 15. Mai 2017